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Die Macht eines Taschentuches

Mir persönlich fällt es leicht, vor anderen Menschen Emotionen zu zeigen, egal ob positive oder negative. Daraus folgt, dass ich schon sehr oft im Beisein von anderen und in der Öffentlichkeit geweint habe, wenn ich traurig war. Unabhängig davon, dass ich es mache, fühlt es sich nicht toll an. Ich stehe zu der Emotion, aber es fühlt sich nicht gut an, in der Öffentlichkeit zu weinen. 

Im Beisein von anderen ist es besonders schlimm, weil ich immer das Gefühl habe, mich dem anderen aufzulasten und aufzudrücken. Genauso unangenehm ist es aber auch für die anderen. Unbehagen macht sich oft breit. Was soll ich nur tun? 

Je näher einem die Person steht, desto leichter wird es meistens auch. Doch gerade bei Schülern oder Klassenkameraden fragt man sich: Was ist das richtige Maß an Trost?

Nun als Erstes sollte gesagt sein, dass du nicht dafür verantwortlich bist, dass sich die andere Person besser fühlt und aufhört zu weinen. Vielleicht will sie das auch gar nicht. 

Wenn du signalisiert bekommst, dass dein Gegenüber eine Umarmung braucht, dann ist ok sie zu umarmen, aber nicht immer ist das angemessen oder erwünscht. Es gibt jedoch eine Sache, die wir alle tun können: Der weinenden Person ein Taschentuch reichen. Da ich meistens Taschentücher dabei habe, ist das kein Problem. Stelle ich fest, dass ich keines dabei habe, dann rufe ich nicht: “Hat jemand ein Taschentuch? Lisa weint!”, sondern frage die anderen diskret, ohne den Grund zu nennen, denn meistens will die weinende Person nicht das alle es mitbekommen. (Genanntes Beispiel ist mir tatsächlich passiert.)

Wenn man weint, dann ist ein Taschentuch das, was man am dringendsten braucht, weil einem Tränen über die Wangen rollen und das Gesicht danach so komisch klebt und einem zusätzlich die Nase läuft und man rumschnieft. Oft sind es diese Sachen, die die Situation unangenehm machen und nicht direkt das Zeigen von Gefühlen. 

Ein Taschentuch hat für mich zudem große Aussagekraft, ohne das Worte notwendig sind. Es zeigt auf angemessene Weise Fürsorge und Anteilnahme, auch bei Unbekannten. Es signalisiert dadurch, dass man sich wünscht, dass es der anderen Person besser geht. Zugleich ist es aber auch ein Gesprächsöffner, doch hier gilt Vorsicht!

Ein paar Tipps für alle, die “nicht wissen, was man sagen soll”: Am besten ist, ihr fragt die Person sanft, was sie gerade braucht. “Möchtest du reden?” “Willst du dich hinsetzen?” “Brauchst du etwas zu trinken?” Dabei ist es gut, nicht zu direkt zu sein und der Person genug Raum zu geben. Fragen wie, “Warum weinst du?” sind für den Weinenden oft schwer zu beantworten, da gerade das Gefühl im Vordergrund steht. Hört lieber zu, statt selber zu reden. 

Und sagt lieber nichts als irgendetwas Unangemessenes wie: “Hör doch auf zu weinen, ist doch nicht so schlimm”. Da die Person weint, ist es für sie schlimm und sie wird nicht aufhören, nur weil du ihr das gesagt hast. Halte ihr stattdessen lieber ein Zellstoff-Quadrat hin und das Wichtigste ist ausgedrückt. 

Im Nachhinein versuche ich das Weinen nicht groß zu thematisieren, sondern frage stattdessen, ob bei irgendeiner Sache Gesprächsbedarf besteht oder ob irgendwas benötigt wird. Mir selber ist es unangenehm, später darauf angesprochen zu werden, dass ich vorhin geweint habe, weil ich es selber mitbekommen habe. Zudem kann ich daraus weder Trost noch sonst etwas Positives ziehen. Umso schöner ist es dann, wenn der andere ein Gespräch eröffnet, wo nicht das Weinen, sondern die Ursache im Mittelpunkt steht. 

Ich als emotionale Person habe meinen Freunden erzählt, was ich brauche, wenn ich weine. So wissen sie, was sie tun können und ich werde so behandelt, wie es mir guttut. Dieser Text ist inspiriert von all den Momenten, in denen das nicht der Fall war. Ich weiß, dass die Personen, deren Verhalten mir nicht gefallen hat, es nicht böse meinten, im Gegenteil!

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